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ARTIKEL

DIE RENAISSANCE
DES RIESLINGS

HARVEST MAGAZIN

Dezember, 2001

Kunde: Stora Enso

Fotografie: Markus Bullik

Text: Klaus Wildenhaus

Stora Enso

Eine junge Generation deutscher Winzer hat die Renaissance des Mosel-Rieslings eingeleitet – gegen ein unseliges Weinbaugesetz und phantasielose Marktstrategen. Nun erobert der Qualitätswein wieder den Platz, der ihm zusteht: die Weltspitze. Eine der Keimzellen dieser Entwicklung finden wir in Piesport, einem traditionsreichen Winzerort an der Mosel. Bei Theo Haart, Besitzer des Weingutes Reinhold Haart.

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W

ir wollen Theo Haart sprechen. Bei Koblenz verlassen wir die Südrichtung und halten uns westlich gen Trier. Der Mosel folgend erreichen wir Piesport, ein idyllisches Dorf am linken Moselufer. Hier werden wir auf Theo Haart treffen, einen Mann, von dem man zunächst nur weiß, dass er Trends den Rücken kehrte und das Weinestablishment ins Wanken geriet. 

      Exkurs: In der Vorstellungswelt eines durchschnittlichen deutschen Weintrinkers herrscht die Meinung vor, nur ein trockener Wein sei ein guter Wein. Das klingt beinahe wie auswendig gelernt. Moselweine etwa, die von Hause aus schon mehr Süße mitbringen, hatten bislang kaum eine Chance. Da halfen ihnen auch ihre berühmt berüchtigten bildhaften Bezeichnungen nichts, wie „Juffer Sonnenuhr“, „Grosser Herrgott“, „Himmelreich“ oder „Ürziger Würzgarten“ – die beste Spezialagentur für Markennamen hätte diese Namen nicht eindrucksvoller erfinden können. 

      Eine neue Generation deutscher Winzer fühlt sich aufs Neue der Qualität verpflichtet. Sie besitzen im Hinblick auf ihre Ziele und Werte so deutliche Visionen, dass sie durchaus mit jenen Winzern zu vergleichen sind, die während des letzten Jahrhunderts den Ruhm des Rieslings in aller Welt begründeten. 

      Ankunft: Die Nebel des Morgens haben sich in Nichts aufgelöst. Als ob die landschaftsbeherrschenden Weinberge und die vielen Pappeln am Fluss nicht schon verschwenderisch genug ihr Herbstgold ausstreuten, strahlt über allem eine freundliche, tiefstehende Oktobersonne. Zum Abend hin wird es wieder kühler werden. Das Schiefergestein wird dann die gespeicherte Wärme allmählich an den Schieferboden abgeben. Wir stehen inmitten der Lage des Piesporter Goldtröpfchens und lernen soeben einen der Gründe kennen, warum dies eine der spektakulärsten Weinlandschaften der Welt ist. 

      Als der römische Dichter Ausonius von Mainz kommend das Moseltal bei Piesport erreichte, beschrieb er sehr treffend den Piesporter Moselbogen als ein mit Reben bestandenes natürliches Amphitheater. Dieses beeindruckende Halbrund öffnet sich mit seinen steilen Hängen nach Süden hin und ein jeder Sonnenstrahl der tiefstehenden Herbstsonne kommt den edlen Rieslingsreben zugute.